Welchen Online-Bewertungen kannst Du trauen?

Du kennst das sicher auch: Sobald Du ein Produkt oder eine Dienstleistung im Internet suchst, findest Du dazu immer häufiger auch eine Bewertung. Eigentlich eine gute Idee: Wer bereits Erfahrung mit der gesuchten Ware, Arztpraxis, dem Reparaturservice oder Co. gesammelt hat, lässt andere wissen, wie zufrieden er war. In vielen Fällen lassen sich Verbraucher in ihren Entscheidungen für oder gegen einen Kauf oder eine Buchung der Serviceleistung von diesen Rezensionen beeinflussen – und das, obwohl nach einer Umfrage des Marktwächters „Digitale Welt“ nur 2 % der Befragten den Rezensionen „voll und ganz“ vertrauten, während ihnen über ¾ skeptisch gegenüberstehen. Zu einem ähnlichen Resultat kommt das  Marktforschungsinstitut „Mentefactum“, nach dem rund die Hälfte der Studienteilnehmer Bewertungen auf großen Portalen wie Amazon oder Check 24 nicht für authentisch hält. Kleinere, regionale Webseiten genießen insgesamt betrachtet mehr Vertrauen. Und bislang decken nur sehr wenige Portale und Online-Shops durch automatische Kontroll-Algorithmen oder interne Überprüfungen durch Mitarbeiter falsche Bewertungen auf. 

Woran also erkennst Du, ob eine Online-Bewertung vertrauenswürdig ist oder nicht? Und wie und warum kommen die falschen Kritiken überhaupt ins Netz?

Die Grauzone bei der Bewertung von Waren und Serviceleistungen ist groß. Produkthersteller und Dienstleister wissen, dass sich schlechte Bewertungen negativ auf ihr Image auswirken, positive Rezensionen aber unentschlossene Kunden zu einem Kauf oder einer Buchung bewegen können. So gehen immer mehr auf das Angebot von Unternehmen ein, bei diesen ihre Bewertungen zu kaufen. Doch obwohl diese Firmen die Überprüfungen durch ihre Tester als legale Vorgehensweise anbieten, stimmen inzwischen viele Experten darin überein, dass es sich bei einer solchen Vorgehensweise um eine illegale Irreführung der Verbraucher handelt. Den Lesern soll suggeriert werden, dass es sich um echte Bewertungen handelt, obwohl die Testpersonen in Wahrheit die Waren nie in die eigenen Hände genommen oder die Arztpraxis als Patient besucht haben. Statt der ehrlichen eigenen Ansicht stehen hier kommerzielle Gründe im Vordergrund, die positive Beurteilung wurde mit der Auftragsvergabe beschlossen. 

Auch durch künstliche Intelligenz maschinell erstellte oder Callcenter-Agenten abgefragte Meinungsbilder unterliegen dem Vorwurf der Rechtswidrigkeit. Verbraucherschutzzentralen, aber auch Konkurrenzunternehmen können in all diesen Fällen die betroffenen Firmen abmahnen und bei schwerwiegenden Verstößen auf Schadensersatz verklagen.

Nicht ganz so klar liegen die Dinge beim sogenannten Affiliate-Marketing. Falls Du den Begriff nicht kennst: Bei diesem Geschäftsmodell erhalten Blogger eine Provision dafür, dass ihre Follower die Webseite des Online-Shops anklicken oder sogar etwas bestellen. Durch den weiterführenden Link ersehen die Anbieter der bestellten Waren sogleich, über wen der Kunde kommt – je positiver das Urteil der Internet-Stars, desto mehr Fans kaufen beim beworbenen Unternehmen ein. Und je teurer das Produkt, desto mehr Provision erhalten die Blogger. Durch Tabellen oder Vergleiche, mit Schlagwörtern wie „Testsieger“ oder „Kundenfavorit“ lassen sie ihre Werbung noch echter aussehen, obwohl sie das Produkt teilweise nie selber getestet haben.

Weniger direkt nehmen manche Online-Händler Einfluss auf ihre Bewertungen, indem sie die  Kunden bevorzugt behandeln, die ihnen ein positives Zeugnis ausstellen. Sie „bedanken“ sich zum Beispiel mit einem Upgrade oder der Möglichkeit, neue Produkte vor allen anderen, zu einem besseren Preis oder sogar kostenlos zu erhalten. Auch Mitglieder von Vorteilsprogrammen vergeben oftmals fast automatisch mehr Sterne an Partnergeschäfte als an unbekannte Firmen.

Das ist verständlich und menschlich, hilft Dir aber nicht weiter! 

Und mit Sicherheit kennst D auch das folgende Szenario: Vor Kurzem stand das YouTube-Video noch im Netz, und nun ist es weg. Das ist nicht nur bei manchen Videoclips so. Auch schlechte Bewertungen sind oft plötzlich wie vom Erdboden verschwunden: Sie wurden einfach gelöscht. 

Möglich ist das aus vielen Gründen. So können Mitbewerber mit einer gerichtlichen Anordnung die Löschung falscher positiver Bewertungen verfügen. Teils unterlaufen auch Software-Systemen maschinelle Fehler, wenn sie Seiten auf unerlaubte Inhalte durchforsten. Auch formale Abweichungen häufig mit Verdacht auf Fälschung ausgesiebt, unter anderem

  • ungewöhnlich lange oder kurze Kritiken
  • sehr viele Bewertungen innerhalb einer sehr kurzen Zeit 
  • Bewertungen mit Informationen zu Versand und Lieferbedingungen
  • übertrieben positive rezensionen 
  • namentliche Beleidigungen (Rufschädigung). 

Doch Du kannst davon ausgehen, dass in erster Linie betroffene Plattformen die Löschungen veranlassen bzw. selber durchführen, sofern ihr internes System dies erlaubt. Denn sie wissen, dass sich eine schlechte Bewertung negativ auf ihre Webseite und auch ihre Kunden auswirken kann: In vielen Fällen zahlen Dienstleister der Plattform, auf der sie ihre Serviceleistungen anbieten, eine Provision für jeden über diese Seite erhaltenen Auftrag. Wird die Firma negativ bewertet, bleiben die Aufträge aus, die Einnahmen durch die Provisionen minimieren sich, und am Ende verlieren beide. Daher lassen die Plattformen aus Eigeninteresse negative Bewertungen oft einfach wieder verschwinden.

Kurz gesagt: Augen auf bei der Beurteilung von Bewertungen. Glaub nicht auf Anhieb alles, was Du liest. Schau genau hin: Die Personen, die ihre Kritiken ins Netz stellen, können von den Herstellern, Händlern oder Dienstleistern beeinflusst worden sein – bewusst (durch Bezahlung) oder unbewusst (durch Vorteilsprogramme). Einen ersten Hinweis auf gefälschte Rezensionen erhältst Du bei anonymen Einträgen oder besonders positiven Kritiken ohne stichhaltige Begründung. Auch sehr lange Links, die auf externe Shopseiten weiterleiten, oder die Bewerbung besonders teurer Produkte sind Anzeichen für eine Zusammenarbeit zwischen Verbraucher und Unternehmen.

Ein Zeichen dafür, dass es sich um Seiten mit ehrlichen Kundenmeinungen handelt, gibt Dir eine ausgewogene Mischung an guten und schlechten Bewertungen. Doch selbst dann bist Du noch nicht auf der sicheren Seite: Der persönliche Eindruck von Laien kann unabsichtlich in die Irre führen, da für bestimmte Gegebenheiten ein tiefergehendes fachliches Verständnis vorliegen sollte. So unter anderem bei der Bewertung von Medikamenten, die über Online-Apotheken bestellt werden können.

Was heißt das alles für Dich? Leider musst Du selber abwägen, ob die Beurteilung die ehrliche Meinung des Verfassers widerspiegelt. Grundsätzlich kannst Du Dir merken: Haben Plattformen Interesse an guten Rezensionen, sind sie im Zweifel nicht echt. Google oder andere Drittanbieter hingegen haben in der Regel kein Interesse daran, Rezensionen zu ändern oder löschen. Weitere verlässliche Quellen sind neutrale Webseiten wie Verbraucherschutzzentralen oder Testportale wie Stiftung Warentest. Ein weiterer Vorteil: Neben dem gesuchten Produkt oder Dienstleister erhältst Du in der Regel eine tabellarische Gegenüberstellung zu  Konkurrenzprodukten mit ähnlichen Merkmalen. So triffst Du am Ende oft die beste Wahl und musst Dir keine Gedanken darüber machen, ob die privaten Bewertungen anderer Verbraucher echt oder falsch sind.